„What shall we do with a drunken sailor“, klingt wie eine der zentralen Fragen des Lebens, nur was und wie viel trinkt man wovon? Am Pier in Cartagena blicke ich auf die Stahlratte, ein Schiff der Extraklasse. Zusammengehalten von Rostschutzmittel, Farbe, ein paar Stahlnieten und der Liebe seines Kapitäns, befindet sie sich in einem niemals endenden Reparaturzustand. Ein passender Hort für verlorene Seelen aller Art, manche davon sind Backpacker andere Motorradfahrer. Mein Herz kämpft mit der Sehnsucht nach dem weiten Ozean und dem Wunsch in Cartagena zu bleiben, dem Ort der mich in Südamerika wohl am meisten gebannt hat. Ein Ort der mich auf unbeschreibliche Art und Weise in sich aufgenommen hat, dass ich mich mich selbst schon als alter Mann sah, der in der Tür einer der verfallenen Häuser sitzt und zu karibischen Salsaklängen mit dem Nachbarn schwatzt, eine Zigarre raucht und Rum trinkt. Barcardi Feeling, all day long. Hier noch an der Kulisse zu schrauben ist völlig unnötig, mehr Karibikgefühl wirkt aus meiner Sicht nur aufgesetzt.
Ich bereite mich darauf vor den südamerikanischen Kontinent zu verlassen und will es eigentlich hinauszögern, solange es mir möglich ist. Also setzte ich mit dem Schiff von Cartagena nach Panama über um eine fiktive Nähe aufrecht zu erhalten und ein Feuerwerk für die Sinnesorgane als gebührenden Abschied abzubrennen. Vier Tage um in türkis-azur-himmel-kobalt-blauen Wasser zu treiben und ein paar der unzähligen Inseln des San Blas Archipels zu beschnuppern. Strände, die mit feinem, weißen Sand gerade zu verschwenderisch umgehen, deren Palmen die Kokosnüsse schon von selbst hergeben und wo eine Hängematte mehr Wert ist als ein 5-Sterne Hotel Bett. Wo Kunas noch Indianer sind und einen herzlich zum Beachvolleyball und Sonnenuntergang im Bambushüttendorf einladen. Wo Langusten zur täglichen Grundnahrung gehören und man anfängt zu überlegen, wie diese dekadente Lebensweise in Europa zu finanzieren wäre. Vier Tage um sich daran zu erinnern, was ich erlebt habe und wo ich im Augenblick stehe, vier Tage um Bilanz zu ziehen in der Frage woher ich komme und wohin ich gehe. Ich bleibe noch mal zwei Tage auf den Inseln, weil ich eigentlich wieder zurück will und bei der Beantwortung der Fragen nicht weiter komme. Aber auf dem Ticket in meiner Hand steht „One-Way“ und zeigt nach Australien mit einer Woche Zwischenstop auf den Cook Islands. Laut Hochglanzprospekten ein weiteres Paradies auf Erden, aber in einem solchen Befinde ich mich gerade sowieso.
Das Leben wird entschleunigt, auf der 30-stündigen Überfahrt von Cartagena nach San Blas kann ich mich selten von der Reeling lösen. Ich verliere mich darin stundenlang auf die offene See zu schauen und sehne mich nach dem was nicht mit an Bord gekommen ist. Eine Gruppe von Menschen, deren Leichtigkeit mich für eine Weile von allem fortgetragen hat und die sich einen festen Platz in meinem Herzen gesichert haben. An Bord treffe ich wieder Menschen, die amazing(!!!) sind, so wie überhaupt alles an diesem Trip. Aber in Gedanken bin ich woanders. Ab und an lese ich „Durch den Wind“. Ein Buch dermaßen verloren geschrieben, dass es exakt zu meinem Lebensgefühl passt. Verstanden habe ich es irgendwie auch nicht, weil ich es ehrlicherweise auch nur durchgeblättert habe, Seite für Seite, Satz für Satz und die Worte sind an mir so schnell vorbei geschwommen, wie die Delfine vor dem Schiff. Ich habe sie kurz wahrgenommen, aber haften geblieben sind sie nicht. Irgendwann nimmt der Schmerz ab, ich kann wieder atmen, schwinge mich von Bord und schwimme eine Stunde zu einer einsamen Insel mit zwei Bäumen um eine Sandburg zu bauen. Als ein Dinghi mit sechs Touristen ankommt, schwimme ich zurück. Mit der plötzlichen Überbevölkerung kann ich nicht irgendwie nicht umgehen.
Ich mutiere zum Pirat. So wie Captain Jack Sparrow jage ich der Freiheit hinterher und weiß dabei doch nicht so recht, wohin das ganze eigentlich führen soll. Treiben lassen, mit einem Fetzen Papier in der Hand auf dem grob skizziert ist, was die nächste Mission ist. Leinen los und in den Wind drehen. Okay, in diesem Punkt bietet die Karibik nur Flaute, aber der Motor des Schiffs tuckert im Rhythmus des Reaggaton und lullt einen nach einer Weile so schön ein, wie es das Rauschen des Windes auch vermocht hätte. Aber die Gedanken sind frei und streben in alle Richtungen auseinander, wieder einfangen kann ich sie nicht und festhalten noch weniger. Doch irgendwann muss ich wieder in die Realität zurück. In Panama-City wartet ein Flugzeug und ein Eis auf mich. Beides entführt mich in neue Dimensionen, das Eis in ein neues Schokoladenuniversum, der Flieger nach Los Angeles wo ich auf meinen Anschluss ins Paradies warte. Doch was ist das Paradies noch Wert, wenn das Herz woanders ist? Nun die nächste Woche kann ich über diese Frage grübeln.
Mann, Mann, Mann….der Deal war eigentlich, dass du irgendwann wieder zurückkommst….Aber jetzt wissen wir endlich, wo deine zukünftige Cocktailbar eröffnet wird 🙂 Cartagena – wir kommen!
Ja es gibt Flecken auf diesem Planeten die eine magische Anziehung auf mich ausüben, Cartagena ist einer davon und Kolumbien bisher auf Platz #1 der Länder mit Wiederholungsgarantie. Aber keine Sorge, nach der letzten Mail von euch muss ich zwischendurch ja nach Hause kommen um mein Zimmer zu sichern 🙂 Geteilt wird nicht und wer zu erst kommt darf die Tapete aussuchen *gg* für mich dann irgendwas mit Tigerente und Panama 🙂