Ich stehe am Straßenrand und blicke zurück. Xavier, mal mit, mal ohne Söhne, rieselt leise aus dem Kopfhörer, hilft meiner Phantasie eine wahllose Folge von Bildern der fernen Vergangenheit abzurufen. Ein blonder Junge, der am Strand gedankenverloren mit einer Katze spielt, zaubert mir Wehmut ins Gesicht. Ein krampfhafter Versuch den Moment festzuhalten scheitert, denn im Kopfkino schiebt sich schon das nächste Dia vor die Linse. Ein Olivenhain in Slowenien, erster Urlaub ohne Eltern völlig auf eigene Faust, geplant mit einem Zirkel anstelle eines Reiseführers. Sonne, Strand und Mehr spiegelten in etwa die Erwartungshaltung wieder und noch heute kribbelt vor Antritt jeder Reise dieser Moment voller Freude über das Unterwegs sein ins Unbekannte.
Die Fotoshow wird etwas schneller, es fliegen Bilder vom Nordkap, Strand in Ägypten, Griechenland, Türkei und Miami vorbei. Bei New York City im Winter setzt der Ton ein und Snowflakes bei Nacht infizieren jeden einzelnen Schnappschuss der Seelenkamera mit Glückshormonen. Richtig sorgenfrei war ich immer nur unterwegs, losgelöst vom Alltag den ich nie als guten Freund in Erinnerung hatte. Die Ernüchterung kam meist unmittelbar am Ausweiskontrollpunkt der Bundesrepublik Deutschland, denn Einreise in die Heimat bedeutet für mich auch immer schmutzige Socken und Badeshorts gegen Zwänge und Nöte des geregelten Berufslebens zu tauschen. Auf der morgendlichen Fahrt ins Büro sehe ich dann wieder die Sonne langsam über den Horizont klettern. Sie tröstet ein wenig, betäubt aber nicht das Gefühl, eigentlich nicht hier sein zu wollen, lässt Sehnsüchte wieder im Unterbewusstsein glimmen.
Am Straßenrand drehe ich mich nach rechts und ahne die Geradlinigkeit. In mir fällt eine Frucht vom Baum der Erkenntnis auf den Nährboden der Hoffnung, deren Samen beginnt zu keimen gedüngt durch den Wunsch an der nächsten Kreuzung wahllos abzubiegen um einen kleinen Umweg im CV zu fahren. Nichts was aus der Bahn werfen soll, gerade groß genug um die eigene Identität nicht auf der Straße zu verlieren. Was ein Moment der Unachtsamkeit aus diesem Schlenker machen wird, steht in den Sternen. „… Doch dieses Leben bietet so viel mehr.“ flüstert mir Xavier verheißungsvoll zu und ich gehe weiter die Straße entlang, jedoch ein wenig lockerer in der Haltung, mit mehr Schwung in der Hüfte und die Erwartungshaltung ersetzt durch Ungewissheit.
Von dem ganzen Beratersprech wurde ja doch nicht so viel der sprachlichen Kompetenz zerstört. Schön! 😉